Ohne Elfriede Richter würde der Bad Dübener Frauenverein, der ihren Namen trägt, nicht existieren. Am Mittwoch wird die Powerfrau 90 Jahre alt. Hier gibt es Fotos aus dem Vereinsleben und Fakten zur Frauenbewegung in Bad Düben.
Bad Düben
153 Jahre ist es her, seit sich in Bad Düben erstmals eine Frauenbewegung formierte. Noch immer sind die Damen der Stadt organisiert. Die Frau, die daran entscheidenden Anteil hat und deren Namen der Verein trägt, feiert am Mittwoch ihren 90. Geburtstag: Elfriede Richter.
Besuch leider nicht möglich
Eine Feier wie sonst üblich ist nicht möglich: Besondere Corona-Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Würdigen will der Frauenverein seine Ehrenvorsitzende dennoch: „Wenn man Elfriede Richter bei ihrem täglichen Rundgang durch die Altstadt sieht, erweckt sie den Eindruck, als wäre sie auf dem Weg zu einem Termin, einer Sitzung. Zügig läuft sie, hält an, um Bekannte freudig zu begrüßen und nach dem ,Wie geht es?’ zu fragen. Der kurze Plausch endet meist mit der Einladung ,Kommt mich doch mal besuchen!’. Nur leider ist ein Besuch im betreuten Wohnen der AWO zu Zeiten von Corona nicht möglich“, so Vereins-Chefin Petra Petersohn.
Frauenverein gratuliert seiner Ehrenvorsitzenden
Das werde von den Frauen des Vorstandes sehr bedauert. „Sie war es, die den Verein in der Wendezeit aus dem DFD in den Demokratischen Frauenbund überführte und nach dessen Insolvenz 2010 den Neustart als eigenständigen Verein ermöglichte.“ Elfriede Richter sei mit über 70 Jahren Vereinserfahrung ein Urgestein in der „Arbeit von Frauen für Frauen“, wie ihr Motto immer lautete, und in Bad Düben bekannt wie ein „bunter Hund“.
Bis 2013 leitete die ehemalige Verkäuferin, die Mitte der 1970er-Jahre mit ihrem Mann nach Bad Düben kam, die Geschicke des Vereins mit Diplomatie, Konsequenz und stetem sozialen Engagement. „Hilfsbereitschaft, immer ein offenes Ohr für die Probleme ihrer Mitmenschen und Pflichtbewusstsein auch ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit zeichneten sie all die Jahre ihrer gesellschaftlichen Arbeit aus. Auch wenn sie ein zierliches Persönchen ist, besaß sie immer das nötige Durchsetzungsvermögen, ihre Stimme fand Gehör, auch ohne Mikrofon. Menschen für ihre Ideen zu begeistern und zu vereinnahmen, schaffte sie immer. Noch heute findet sie für alle und jedes Problem die passenden Worte und strahlt Optimismus aus“, würdigt der Vorstand um Petra Petersohn das Wirken der Seniorin.
„Wir wünschen unserer Jubilarin weiterhin viel Gesundheit und Zufriedenheit, stoßen in Gedanken mit ihr auf diesen Tag an und hoffen auf eine Zeit nach Corona, wo wir mit ihr all das nachholen können, was heute nicht möglich ist.“
Frauenbewegung in Bad Düben
Düben und die Frauen – das ist eine seit Jahrzehnten andauernde besondere Verbindung, nicht erst, seit es den Frauenverein „Elfriede Richter“ gibt. Angefangen hat alles am 1. Oktober 1868. 75 Kinder der Armenschule mit einer verhältnismäßig reichen Bescherung zu bedenken, das war das erste Ziel, das sich der Verein gestellt hatte. Über 150 Mitglieder gab es damals, „obwohl Düben nur halb soviel Einwohner hatte wie heute. Die Frauen kamen aus fast alles Bevölkerungsschichten, wer viel hatte, gab mehr, wer wenig hatte, gab was er entbehren konnte“, hat Stadt-Chronist Lutz Fritzsche herausgefunden. Sich sozial zu engagieren, war selbstverständlich und erhöhte natürlich das Ansehen in der Stadt. Das Motto lautete: Tu Gutes und zeige es.
Das gilt heute noch, auch wenn die Angebote weitaus vielschichtiger geworden sind. Die Frauen haben über all die Jahrzehnte ihren gesellschaftlichen Platz in Bad Düben bewahrt und sich vor über 20 Jahren einen Namen gegeben. Einen, der fest mit dem Wirken verbunden ist, ist der von Elfriede Richter. „Ohne sie würde es den Verein heute nicht mehr geben“, sagen Petra Petersohn, Brigitte Martin und Brigitte Nagel vom Vorstand unisono. Von Beginn an war die heute 90-Jährige dabei. Mit 21 Jahren trat sie, damals noch zu DDR-Zeiten, in den Demokratischen Frauenbund (DFD) ein. „Ich kannte das von zu Hause nicht anders“, sagt die noch immer rüstig wirkende Seniorin. Als junges Mädchen habe sie immer ihre Mutter begleitet, die Beiträge kassierte. Mitte der 1970er-Jahre zog die Verkäuferin mit ihrem Mann nach Bad Düben. Ab 1976 fungierte sie als Leiterin einer Wohngebietsgruppe, von denen es mehrere in der Stadt gab. Allein in ihrer gab es im Umkreis von wenigen Hundert Metern rund 120 Mitglieder. „Das war damals sehr viel. Die inhaltlichen Dinge haben sich zu heute nicht groß verändert. Schon damals standen Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen, Ausflüge, Feiern und anderes auf dem Plan“, erinnert sich Elfriede Richter.
Ab und an muss sie schon schmunzeln, angesichts der Tatsache, dass der Verein ausgerechnet ihren Namen trägt. Als die Wende kam, und mit ihr der DFD zerfiel, lösten sich die Gruppen nach und nach auf – die von Elfriede Richter blieb, weil diese, damals Anfang 60, unermüdlich dranblieb. Fortan nannte man sich dfb-Basisgruppe Bad Düben. Parteienunabhängig und konfessionslos. 20 Jahre später, im Jahr 2010, gründete sich der Verein neu. Er hatte mittlerweile wieder über 100 Mitglieder und wollte mit der Namensgebung der Initiatorin für ihr jahrelanges Engagement danken. 2013 gab Elfriede Richter den Vorsitz ab, zwei Jahre später zog sie sich aus der aktiven Vorstands-Arbeit zurück, lebt mittlerweile im betreuten Wohnen bei der Arbeiterwohlfahrt, mischt aber noch mit: „Ich freue mich über jede Abwechslung. Das hält jung.“
Von ka