Der Veranstaltungsraum der zwischen den Schauwerkstätten war zur Lesung gut besucht. Foto: (Wsp) Nyari
Quelle: Mittwoch, 05. April 2023, Dübener Wochenspielgel
(Bad Düben/Wsp/ny). Die Bad Dübener Obermühle hat sich als Kulturstätte schon seit Langem einen guten Namen gemacht und seit der Eröffnung des Mehrzweckraumes gibt es durch den engagierten Museumsdorf-Verein unter anderem auch spannende Lesungen. Es war aber die Bibliothek, die kürzlich in besagter Stätte zu einer Lesung einlud, in der Dr. Ernst Dörfler einem interessierten Publikum sein Buch "Auf's Land", das vor gut einem Jahr erschien, vorstellte. Die Gäste erfuhrten eine ganze Menge aus dem außergewöhnlichen Leben eines Mannes, der 1950 in Kemberg das Licht der Welt erblickte und in einem kleinen Dorf in der Dübener Heide seine Kindheit verbrachte. Dieser Ort ist nach Bad Schmiedeberg eingemeindet und seit etwa 40 Jahren lebt der freiberuflich arbeitende Autor, promovierter Ökotechniker, begeisterter Naturkenner und passionierte Vogelbeobachter in einem kleinen Ort an der Elbe nahe Zerbst.
"Die Konsumwelt blieb mir lange fremd", erinnert er sich heute zurück. Garten, Felder und Wald bildeten die Versorgungsbasis der Familie, man baute bis zu 15 Kulturen an und führte insgesamt ein ein bescheidenes Leben. Alles was man hatte wurde gehütet und mehrmals genutzt und als Beispiel nannte er Nägel. Diese waren seinerzeit teuer und rar, also wurden alte rostige Exemplare glatt geklopft und bei der Reperatur des Weidezauns wiederbenutzt. Dieses und andere Beispiele zeigen auf, dass man eigentlich auch mit viel weniger auskommen kann, was Ressourcen, den eigenen Geldbeutel und letztlich auch das Klima schont. Doch es war nicht nur die bescheidene naturnahe Kindheit, die ihm diese Erkenntnis vermittelte. "Nach dem Besuch des Pretscher Gymnasiums begann ich mit einem Chemiestudium den Irrtum meines Lebens", sagte Dörfler. Jobs in verschiedenen Laboratorien und beim Berliner Gewässerschutz boten ihm Zugang zu vielen unerfreulichen Daten und Zahlen, die die Öffentlichkeit aber nie erfahren sollte. Für den jungen Mann war das eine völlig sinnfreie und unbefriedeigende Arbeit und die Sehnsucht nach einem naturnahen Leben stieg stetig.
Er wagte schließlich die Stadtflucht und zog weit weg von Autoabgasen, rauchenden Schornsteinen und belasteten Gewässern. Dass die Staatssicherheit der DDR beizeiten ein Auge auf den "andersdenkenen Aussteiger" hatte, versteht sich fast von selbst. Das änderte sich mit der Wende. Dann geschah etwas, das er auch nicht vorhatte. Er wurde mit seinem Gewissen in die Politik und schließlich ganz nach oben katapultiert. Doch das war nur eine kurze Episode, da seine Vorstellungen von einem ökologischen Umbau der Gesellschaft in der pulsierendn Marktwirtswchaft kein Gehör fand.
Im Großen und Ganzen geht es dem Autor darum, aufzuzeigen, dass jeder im Kleinen naturnaher, ressourcenschonender leben kann und gleichzeitig Klima und Geldbeutel schont. Er erteilt dem Wettbewerb und dem Konsumdenken eine klare Abfuhr und schlägt vor: Erwerbstätigkeit und Konsum halbieren und lieber Obst und Gemüse selber anbauen, was gesunde frische Nahrung verspricht. Dinge, die man benötigt, sselber machen, tauschen, gebraucht erwerben, reparieren statt neu kaufen. Dass etwa ein Drittel der produzierten Lebensmittel im Müll landen oder dass das Wirtschaftssystem ständig nach Umsatzsteigerung schreit, ist ihm ein Gräuel. "Die Wertschätzung unserem täglichen Brot gegenüber ging in den letzten Jahrzehnten völlig verloren", ist sich der Autor sicher und das könne sich ändern, wenn man anfängt, seine eigenen Brötchen zu backen.
Zwischendurch und am Ende des Vortrags kam es zu reger Diskussion, was Dörfler sichtlich erfreute -zeigte es doch das große Interesse an dem Thema, das aktueller nicht sein kann.