Quelle: LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 09.06.2020, Steffen Brost
Im Oktober feiert der Bad Dübener Gerhard Tiegel den 100. Geburtstag / Seine Kamera hat er immer dabei
Bad Düben. Mit großen Schritten marschiert Gerhard Tiegel auf seinen 100. Geburtstag im Oktober zu. Doch das runde Jubiläum zu feiern, daran verschwendet der 99-Jährige keinen Gedanken. „Ich fahre weg. Meine Schwester wird im gleichen Monat 96 Jahre alt. Unseren Geburtstag feiern wir zu zweit. Man weiß ja nie, wie lange man noch auf der Welt ist. Gerade in unserem Alter. Mit wem soll ich außerdem groß anstoßen? Auf meinem Flur im betreuten Wohnen habe ich meine Mitbewohner schon mehrfach überlebt. Also bin ich einfach mal nicht da“, grinst Tiegel verschmitzt.
In den vergangenen Wochen bestimmte aber nicht der Gedanke an den Ehrentag sein Leben, sondern der Coronavirus. Auch für einen der ältesten fitten Bad Dübener brachte der ein paar Einschnitte mit sich. Gerhard Riegel wohnt seit 2005 im Betreuen Wohnen bei der Arbeiterwohlfahrt in der Neuhofstraße. „Ich habe mich nach außen so weit es ging abgeschottet und Kontakte vermieden. Ich bin nur zum Einkaufen raus und hatte dann meine Maske immer dabei. Eigentlich bin ich für so einen Quatsch nicht, aber man muss es einfach tun und sich an die Spielregeln halten“, sagt der Rentner. Langeweile schob der 99-Jährige aber deswegen noch lange nicht. Er organisierte für die Zeit nach Corona seine Arzttermine zur Vorsorge und schwang sich regelmäßig auf sein Fahrrad. Bis heute radelt Tiegel immer noch bis zu 25 Kilometer am Tag, meistens rund um Bad Düben.
Und er hat auch im hohen Alter noch einige Ziele. So plant der Bad Dübener für August seinen x-ten Urlaub in der Lüneburger Heide. „Ich mag die Gegend und bin schon oft zu Festen dort gewesen. Bald geht es wieder los. Mit dem Linienbus samt meinem Fahrrad geht es nach Leipzig und dann weiter mit dem Zug. In einer Pension verbringen ich dann eine schöne Woche mit Radtouren. Mein Doktor Franke hat mich durchgecheckt und mir grünes Licht gegeben“, so Tiegel weiter. Schon in jungen Jahren entdeckte er die Liebe zum Fahrrad. Sein Vater brachte ihm das Rad fahren einst bei. Aber erst später im Alter ist der Bad Dübener so richtig auf den Geschmack gekommen und sammelte Kilometer wie andere Briefmarken.
Gerhard Tiegel stammt aus Görschlitz. Später lernte er seine Frau kennen und zog nach Söllichau, wo er erst als Traktorist in der Landwirtschaft und später im staatlichen Forstbetrieb sowie als Hausmeister arbeitete. Er hat zwei Söhne, fünf Enkel und acht Urenkel. Seit dem Tod seiner Frau lebt er allein und zog später ins betreute Wohnen. „Ich liebe das gesellige Beisammensein und dann habe ich ja meine Hobbys. Zum einen Reisen, meine Fahrradtouren und das Filmen. Immer wenn etwas in der Region los ist, filme ich das und zeige es später bei kleinen Filmnachmittagen in der Seniorenbegegnung“, erzählt der Rentner.
Fast 1000 Videokassetten sind so in den vergangenen Jahrzehnten zusammengekommen. Mittlerweile hat Gerhard Tiegel sie in seinem kleinen Studio alle auf DVD überspielt und setzt mittlerweile voll auf digital. In seinem Computerarbeitszimmer mit zwei riesigen Monitoren, mehreren Schnittgeräten, DVD-Playern, Minibildschirmen und vielen Metern Kabel erobert er jetzt die digitale Welt für sich. „Ich habe begonnen, kleine digitale Bildergalerien zu erstellen. Das macht ein Heidenspaß. Ich habe mich darüber belesen und es funktioniert einwandfrei“, lacht Tiegel.