Jeder zehnte Nordsachse ist überschuldet

Quelle: LVZ, Delitzsch-Eilenburger Kreiszeitung, 07.03.2020

Quote im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken /

„Irrationales Konsumverhalten“ immer häufiger Auslöser Nordsachsen. Im vergangenen Jahr haben über 1900 Personen im Landkreis eine Schuldnerberatung aufgesucht. Das geht aus der Antwort des nordsächsischen Landrates auf eine entsprechende Anfrage der Linken-Fraktion im Kreistag hervor. Die Zahl der Menschen, die eine Insolvenzberatung aufgesucht haben, lag demnach bei etwa 230.

Die Schuldner- und Insolvenzberatung erfolgt im Landkreis Nordsachsen im Bereich Delitzsch-Eilenburg durch den Awo-Kreisverband Nordsachsen und in der Region Torgau-Oschatz durch den Caritasverband. Die vom Landkreis geförderten Beratungsstellen sind an den Standorten Bad Düben, Delitzsch, Eilenburg, Oschatz und Torgau zu finden. „Insgesamt ist durch beide Träger deutlich darauf verwiesen worden, dass der Bedarf an sozialer Schuldnerberatung deutlich gestiegen ist, wobei der Anteil an Insolvenzberatungen eher stagniert“, so die Kreisverwaltung.

Judith Sodann, Geschäftsführerin der Linken-Fraktion im Kreistag, wies mit Blick auf die Zahlen zudem darauf hin, dass die entsprechenden Beratungsstellen von Menschen aufgesucht werden, die „in der Mehrzahl ,mittleren Alters sind“. Laut einer Übersicht für die Region Torgau-Oschatz sind Klienten im Alter zwischen 30 und 39 Jahren die mit Abstand größte betroffene Altersgruppe. Für den Bereich Delitzsch-Eilenburg gibt es keine entsprechende Aufstellung, da Daten zum Alter hier bisher nicht abgefragt werden.

Auch über den durchschnittlichen Verschuldungsstand sowie zu den Ursachen für private Überschuldungen liegen für den Landkreis keine Statistiken vor. Wohl aber zum Einkommen. Insbesondere bei den Schuldnerberatungsstellen seien Hartz-IV-Empfänger sowie Leute mit geringem Gehalt auffällig oft vertreten – „Personen im ALG-II-Bezug oder im allgemeinen Lohnbezug, dann aber im Bereich des nichtpfändbaren Einkommens und mit einer bestehenden Unterhaltspflicht“, so die Kreisverwaltung. Erkennbar sei daher, „dass Gläubiger bei dem betreffenden Klientel kaum oder keine Möglichkeit des Durchgriffs haben“.

Ausgeschlossen werden könne die allgemeine Aussage, dass eine große Überschuldung der Rentenempfänger vorliegt. Das Landratsamt verwies zudem auf entsprechende Statistiken des Wirtschaftsforschungs-Unternehmens Creditreform. Dieses stellt jährlich für jede Region in Deutschland die sogenannte Überschuldungsquote fest. Für den Landkreis Nordsachsen beträgt diese Quote 11,23 Prozent im Jahr 2019. Damit ist also jeder zehnte erwachsene Nordsachse überschuldet. Ein Jahr zuvor lag die Quote bei 11,28 Prozent, fünf Jahre zuvor – im Jahr 2014 – bei 10,32 Prozent. Das entspreche im Ranking der Überschuldungsquoten aller Landkreise und kreisfreien Städte Platz 302 von insgesamt 401, so das Landratsamt. Nordsachsen liege damit in der unteren Hälfte.

Eine Überschuldung liegt laut Creditreform dann vor, wenn der Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhalts weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Oder kurz: Wenn die zu leistenden Gesamtausgaben höher sind als die Einnahmen. Die ermittelte Quote bezieht sich auf Personen über 18 Jahre.

Eine deutschlandweite Analyse von Creditreform zeigt, dass ökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit und gescheiterte Selbstständigkeit als Auslöser für Überschuldungsprozesse langfristig an Bedeutung verloren haben. Auf der anderen Seite habe sich der steigende Trend der Vorjahre bei den Überschuldungsauslösern „Erkrankung, Sucht, Unfall“ sowie „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ nochmals verstärkt. Insbesondere der Auslöser „unwirtschaftliche Haushaltsführung“ – der auch synonym mit dem Begriff „irrationales Konsumverhalten“ verwendet wird – bilde oft den schleichenden Einstieg in eine Überschuldungsspirale. Bundesweit lag die Überschuldungsquote im Jahr 2019 – Stichtag war der 1. Oktober – übrigens bei genau 10 Prozent, das sind 6,92 Millionen von 69,24 Millionen erwachsenen Personen in Deutschland.

Die Quote bei Männern liegt bei 12,46 Prozent, bei Frauen bei 7,65 Prozent. Die drei Landkreise mit der deutschlandweit geringsten Überschuldungsquote sind Eichstätt (Bayern, 3,98 Prozent), Erlangen-Höchstadt (Bayern, 4,91 Prozent) und Schweinfurt (Bayern, 5,04 Prozent). Am anderen Ende der Statistik stehen die kreisfreien Städte Bremerhaven (21,67 Prozent), Neumünster (Schleswig-Holstein, 18,65 Prozent) und Pirmasens (Rheinland-Pfalz, 18,3 Prozent).

Jeder zehnte Nordsachse ist überschuldet

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