Quelle: LVZ, 15.06.2022, Heike Liesaus
Kritik des Trägers: Externe Bildungskurse sind ungerecht. Eltern, Einrichtungsleiterinnen und Geschäftsführung haben in Delitzsch nun um eine Lösung gerungen.
Delitzsch. Ist es gerecht, wenn externe, von den Eltern bezahlte Bildungskurse für Kinder in Kitas stattfinden? Der AWO-Kreisverband Nordsachsen sagte Nein. Und war drauf und dran, diese Angebote nicht mehr zuzulassen. Die Argumente: Damit werden Kinder ungleich behandelt, weil nicht alle teilnehmen. Zudem lassen sich musikalische Früherziehung und Erstkontakt zu fremden Sprachen auch seitens der Erzieherinnen einbringen.
Aber Eltern engagierten sich gegen die Entscheidung. Robert Kuhnert, einer der Väter, stellte eine Petition online, die von 169 Nutzern unterstützt wurde. Es gab viele Gespräche einzeln, aber vor allem kam es zu einem Treffen zwischen Eltern, Leiterinnen der AWO-Kitas, Geschäftsführung und Vertretern der externen Bildungsträger, bei dem die Entscheidung gemeinsam überdacht werden sollte.
Das Gespräch startete außergewöhnlich: mit Dankesworten. Für die Bereitschaft, miteinander zu sprechen und dafür „dass Sie die Angebote 20 Jahre lang mit persönlichem Engagement zur Verfügung stellten“, so Robert Kuhnert. Er erklärte auch, warum ihm das Angebot wichtig ist: Er weiß, was das Musizieren fürs Leben bringt. Und für seine Tochter seien die Stunden Highlights in der Kita-Woche.
Marko Schreiber, Geschäftsführer des Kreisverbands der Arbeiterwohlfahrt Nordsachsen, warb seinerseits um Verständnis: Es hatte einen aktuellen Auslöser gegeben, aber das Thema der externen Bildungsangebote habe die Geschäftsführung schon lange beschäftigt. Denn auch die verschiedenen AWO-Einrichtungen gehen unterschiedlich vor. Bei einigen finden die Englisch- und Musik-Angebote statt, in einigen nicht. „Unser Verband steht für Gleichheit, Gerechtigkeit und Toleranz. Es besteht keine Chancengleichheit, wenn Angebote nicht für alle Kinder zugänglich sind.“
Doch wird Gerechtigkeit geschaffen, wenn bestehendes Zusätzliches wegfällt? In der Praxis sind Erzieherinnen beim ohnehin knappen Personalschlüssel mit dem Alltag mehr als ausgelastet, so die Argumente der Eltern. Vorschlag seitens der AWO-Geschäftsführung: Könnte nicht über die AWO oder einen Förderverein ein freies Angebot organisiert werden, bei dem vielleicht einmal im Monat eine Lehrkraft der Musikschule auf dem Spielplatz bereit steht? Dem erteilte Angelika Hädicke, Leiterin der Delitzscher Außenstelle der Kreismusikschule, eine Absage: „Wir machen hochwertigen Unterricht.“ Im offenen Angebot ist es nicht möglich, Kinder so an Instrumente heranzuführen, Musik erlebbar zu machen. Es sei auch auf Rahmenbedingungen für die Lehrkräfte zu achten.
In der Diskussion wurde klar: Ein Zugang zu diesen Kursen, der niedrigschwelliger wäre als direkt in der Kita, lässt sich kaum organisieren. Er ist nicht mit zusätzlichen Anfahrtstouren für die Eltern und Eltern verbunden, liegt in einer Tageszeit, in der die Kinder auch aufnahmefähig sind. Durch das Gruppenangebot sind zudem die Preise niedrig. Außerdem können bei Bedarf Kosten übers Teilhabepaket übernommen werden.
„Aber wie wird die Chancengleichheit gewahrt?“, fragte Marko Schreiber. Wird sich gekümmert, wenn ein Kind mitmachen will, dessen Eltern aber vielleicht finanziell schlecht gestellt sind oder Desinteresse oder Vorbehalte gegenüber dem Angebot haben? „Das wird bei uns doch jahrelang schon so gelebt“, so eine der Kita-Leiterinnen.
Weil die Musikschule dringend eine feste Entscheidung brauchte, um Personal für das kommende Unterrichtsjahr zu planen, kam der AWO-Geschäftsführer zum salomonischen Vorschlag, den dann alle Seiten mittragen konnten: Ein Jahr lang bleibt alles so, wie es ist. In dieser Zeit soll geprüft werden, ob sich eine alternative Finanzierung finden lässt, die Angebote einer noch größeren Gruppe zur Verfügung zu stellen.