Personalmangel: Kitas im Krisenmodus

Blick in eine Leipziger Kita: Noch immer stehen Kindertagesstätten unter Stress. Fotos (2): André Kempner

 

Eine Kita in Schkeuditz schränkt den Betrieb ein – kein Einzelfall in und um Leipzig:
Die Situation in der Kinderbetreuung bleibt nach Darstellung vieler Träger angespannt.


Von Florian Reinke

Quelle: Mittwoch, 15. März 2023 LVZ

Schon in der Kita werden bei Kindern die Weichen für eine Bildungskarriere gestellt, heißt es – umso mehr entlädt sich bei Familien gerade der Frust, wenn eben jenes System Kita immer wieder an seine Grenzen gerät. Denn auch nach drei Jahren Pandemie kommen die Kindertagesstätten nicht aus dem Krisenmodus, wie sich auch in Leipzig und Umgebung zeigt. Nicht alle Eltern reagieren mit Verständnis.


Kein Einzelfall ist auch das, was in der vergangenen Woche in Leipzigs Nachbarstadt Schkeuditz in einer Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) passiert ist. Im Ortsteil Glesien hatten Personalengpässe zur Folge, dass der Betrieb eingeschränkt wurde. Von einem „akuten, krankheitsbedingten Personalausfall“ berichtete der Awo-Kreisverband Nordsachsen als zuständiger Träger. Von zwölf Fachkräften seien nur noch sechs anwesend gewesen – Grund ist offenbar ein grassierendes Virus. „Da alle betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ähnliche Krankheitssymptome (Fieber, roter Hals, Erkältungssymptome) aufweisen, gehen wir von einer Virusinfektion aus. Diese Symptome waren und sind auch in einzelnen Gruppen unter den Kindern zu beobachten“, teilt der Verband mit. Der Träger musste reagieren – und schränkte die Öffnungszeiten ein, etwa im Krippenbereich bis 11.30 Uhr. Die Hälfte der Eltern habe verständnisvoll reagiert, die andere eher mit Unmut, verlautete von der Awo. „Was wir natürlich auch nachvollziehen können“, wie eine Sprecherin des Trägers sagt. Es ist kein Einzelfall: Einschränkungen in der Öffnungszeit würden der Bildungsgewerkschaft GEW häufiger gemeldet, berichtet deren Vorsitzende in Sachsen, Uschi Kruse. „Sachsenweit gilt: die Kitas leiden an chronischer und großer Personalknappheit“, hält sie fest. Fehlender Nachwuchs sei bei weitem nicht das einzige Problem. „Viel wichtiger ist, dass der Freistaat trotz aller anderslautenden Beteuerungen einen Personalschlüssel vorgibt, der Ausfallzeiten nicht berücksichtigt“, sagt Kruse. Pädagogische Fachkräfte seien
laut Gesundheitsreport der Barmer Krankenkasse von 2021 im Durchschnitt 30,8 Tage arbeitsunfähig, während über alle Berufe hinweg nur rund 20 Arbeitsunfähigkeitstage in Sachsen gezählt wurden. „Der häufigste Grund für Krankschreibungen bei den sächsischen Beschäftigten in der Kinderbetreuung und -erziehung waren psychische
Erkrankungen wie Depressionen. Diese vorhersehbaren Ausfälle werden genauso wenig berücksichtigt wie die Ausfälle, die durch Urlaub oder die staatlich verordnete Weiterbildungsverpflichtung entstehen“, sagt die Gewerkschaftlerin. Wenn diese Faktoren mit Krankheiten zusammenkämen, sei es „möglich, dass die Einschränkung oder Schließung einer Kita erforderlich ist, weil sonst die Bedingungen für die Betriebserlaubnis nicht mehr garantiert
sind.“

Bis zu zehn Prozent der Stellen sind dauerhaft unbesetzt Auch aus Sicht vieler Mitarbeiter sind dafür strukturelle Probleme verantwortlich, wie am vergangenen Mittwoch in Leipzig deutlich wurde: Da demonstrierten Fachkräfte zwar in erster Linie für mehr Lohn in Kitas, forderten zugleich aber auch bessere Arbeitsbedingungen. Tiefer greifende Personalprobleme sehen auch die Betreiber. Das Deutsche Rote Kreuz in Leipzig berichtet, dass in den Kitas dauerhaft bis zu zehn Prozent der Stellen unbesetzt seien. „Das liegt vor
allem daran, dass es zu wenig qualifizierte Fachkräfte auf dem Markt gibt“, sagt Sprecherin Ariane Mohr. Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkranken, führe das dann
auch zu einem eingeschränkten Betreuungsangebot, heißt es bei der Volkssolidarität. „Von Januar 2023 bis heute haben wir in neun Fällen die Öffnungszeiten temporär eingekürzt, das heißt, morgens die Kita später geöffnet und abends eher geschlossen. Dabei war die Betreuung im Minimum neun Stunden am Tag gesichert“, sagt Sprecherin Ulrike Gierth.
Eltern schicken Kinder mitunter krank in die Kita Wie die Diakonie betont, seien die Monate November sowie Februar, März eines jeden Jahres schon von jeher Monate, in denen viele
Kollegen und Kolleginnen erkrankten. „Nach der Corona-Zeit scheint sich diese Situation verschärft zu haben. Es ballen sich Erkrankungen, wie Magen-Darm, Erkältung, Scharlach, Corona etc. Damit fallen natürlich auch mehr Mitarbeitende aus“, sagt Christiane Michalski, Fachbereichsleiterin Kindertagesstätten. Die Stadt Leipzig, die über 50 Kitas selbst betreibt, sieht die größte Herausforderung in der überdurchschnittlichen Zahl von Krankheitsfällen, die meist saisonal bedingt seien. „Ein weiteres Problem ist der bundesweit bekannte Fachkräftemangel im sozialen Sektor“, erklärt das Amt für Jugend, Familie und Soziales. „Dieser hat Auswirkungen auf die Anzahl der eingehenden Bewerbungen und damit verbunden auch auf die Dauer einer Nachbesetzung.“ Offene Stellen führten zu einer höheren Arbeitsbelastung. Einschränkungen gebe es aber nur in Einzelfällen, heißt es bei der Stadt –und auch dann nur geringfügig. Schließlich betreibe der kommunale Träger die Einrichtungen unter Berücksichtigung der Sicherung des Kindeswohls als auch der Fürsorgepflicht gegenüber dem Personal. Und da ist noch ein Umstand, der Kitas belastet: Eltern bringen ihre Kinder mitunter krank in die Einrichtung, bestätigen viele Träger. Das verschärfe die Personalsituation zusätzlich, heißt es beim DRK, „weil kranke Kinder mehr Betreuungsaufwand verursachen und die Erzieher sich anstecken.“ Nicht immer schickten
Eltern ihre Kinder aber bewusst mit einer Erkrankung in die Kindertagesstätte, ergänzt Christiane Michalski von der Diakonie. Etwa dann, wenn die Symptome erst später ausbrechen. „Dennoch kommt es natürlich vor, dass Eltern ihre Kinder auch krank bringen. Hier gehen wir mit den Eltern ins Gespräch, und meist können die Eltern unsere Situation dann nachvollziehen.“ Aber, auch das betont Michalski: „Wir verstehen die Eltern, die den Druck haben, zur Arbeit zu müssen und einfach ihre Kinder in der Kita abgeben wollen, mit der sie letztlich auch einen Vertrag über eine vereinbarte Stundenzahl und Öffnungszeit haben.“ Was den Trägern bleibt, ist an die Familien zu appellieren, so wie das die Schkeuditzer Kita in einer E-Mail getan hat: Man bitte alle Eltern darum, Kinder mit Symptomen zu Hause zu betreuen. Unterdessen hat sich die Situation in der Einrichtung entspannt: Weil erkrankte
Kräfte zurückgekehrt und zusätzliches Personal akquiriert worden sei, gebe es keine Einschränkungen mehr.

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