Quelle: Mittwoch, 10.07.2024, Dübener Wochenspiegel
(Bad Düben/Wsp/ny).
Der Umgang mit Geld will gelernt sein, heißt es so schön. Doch trotz umsichtigen Verhaltens kann es passieren, dass die Finanzen aus dem Ruder geraten. Die Gründe sind vielfältiger Art. Wenn sich die Lebensumstände plötzlich ändern, es zu Krankheit, Arbeitslosigkeit oder zur Scheidung kommt, kann es zu gravierenden finanziellen Engpässen kommen.
Es ist jedoch häufig nicht nur ein unvorhersehbares Ereignis, das in die Schuldenfalle führt, sondern oft sind es langfristige Prozesse zwischen individueller Selbsteinschätzung und strukturellen Konsumanreizen in einer auf ständigem Wachstum ausgerichteten Welt sowie zusätzlichen situativen Belastungen.
Vor allem einkommensschwache Personen sollten daher bei allem berechtigten Bedürfnis nach Teilhabe am materiellen Wohlstand möglichst den Angeboten der Banken und dem Versandhandel widerstehen und auch das vorherige Ansparen von Mitteln für Anschaffungen nicht aus dem Auge verlieren. Die Freiheit der Gegenwart wird sonst mit Unfreiheit in der Zukunft erkauft. Für unsere Großeltern war Sparen noch selbstverständlich, heutzutage wird vieles auf Kredit angeboten und gekauft. Bei sogenannten „Buy now, pay later“-Angeboten kann man dann neben der Kreditkarte, dem Konsumentenkredit und den sonstigen Fixkosten schnell den Überblick verlieren. Viel zu viele, gerade auch junge Menschen, unterschätzen das Risiko, das von scheinbar so verlockenden Angeboten ausgeht, jetzt etwas im Internet zu bestellen und es später und/oder in Raten zu bezahlen.
Anderen Betroffenen wachsen aber auch Mieten und Nebenkosten oder Forderungen von Krankenkasse, Finanzamt oder Landesjustizkasse über den Kopf. Nicht zu vergessen sind Unterhaltsschulden. Bei diesen ist getrennten Eltern zu raten, sich zu einigen und auch offen mit dem Jugendamt zu kommunizieren, da hier Pfändungen besonders empfindlich ausfallen können, denn gegenüber minderjährigen Kindern besteht eine gesteigerte Unterhaltspflicht. Wenn man nicht rechtzeitig wach wird, wird aus der Verschuldung die Überschuldung, füllen sich die Schubladen mehr und mehr mit unbezahlten Rechnungen, Mahnschreiben sowie vollstreckbaren Titeln und Lohn- und Kontopfändungsbeschlüssen“, weiß Tilo Winkler, der als Nachfolger der langjährigen Beraterin Bettina Noack in Bad Düben und Eilenburg berät. Das Beratungsangebot des AWO-Kreisverbandes wird ergänzt durch Sylke Kistler in Delitzsch. „Und die Überschuldung führt auf Dauer auch zu psychosozialen Problemen.“
Für betroffene Haushalte ist es im Fall der Fälle wichtig, die Post trotzdem weiter zu öffnen, zu sichten und einen Überblick über die finanzielle Situation zu bekommen, eine Budgetplanung zu erstellen und die verfügbaren Mittel nach Prioritäten und bezogen auf den Monat einzuteilen. Die Existenzsicherung geht dabei vor Ratenzahlung – insbesondere zur Vermeidung von Miet- und Energieschulden. Liegen solche vor, helfen dann möglicherweise auch Jobcenter oder Sozialamt.
Schuldknechtschaft und Kahlpfändungen sind durch Pfändungsschutzvorschriften heutzutage nicht mehr möglich – knapp ist das Budget beim P-Konto aber allemal. Gemeinsam mit den Betroffenen wird in der Beratungsstelle nach Möglichkeiten gesucht, wie man der Schuldenfalle wieder entkommen kann. Aktive Mitarbeit und Kommunikation mit den meist hartnäckigen Gläubigern ist dazu meist unumgänglich. Nur so ist es möglich, den Menschen, aber auch dem betroffenen Umfeld, wie zum Beispiel der Familie, auch den emotionalen Umgang mit den Schulden zu erleichtern und Perspektiven aufzuzeigen. „Es werden gemeinsam mit den betroffenen Menschen individuelle Lösungswege erarbeitet“, erklärt Tilo Winkler. „Häufig, aber nicht immer, ist ein Verbraucherinsolvenzverfahren das Mittel der Wahl. Insbesondere bei pfändbarem Einkommen lassen sich Gläubiger manchmal auch auf einen Teil-Forderungsverzicht ein“, verrät der Berater.
Das Schuldnerberatungsangebot der Arbeiterwohlfahrt ist aufgrund der Mitfinanzierung von Freistaat und Landkreis für die Ratsuchenden kostenlos und die Beratenden sind zu Stillschweigen verpflichtet. Die Schuldnerberatung des AWO Kreisverband Nordsachsen e. V. ist in Bad Düben (Tel.: 034243 / 33536), in Eilenburg (Tel.: 03423 / 7003981) und in Delitzsch (Tel.: 034202 / 351783) erreichbar.