Leipzig erschütterten diese Woche Corona-Ausbrüche in zwei Altenheimen mit mehr als 30 Todesfällen. Sind die Schutzmaßnahmen nicht hart genug? Der sächsische AWO-Chef glaubt an einen völlig anderen Grund.
Leipzig
Sachsens erstes Ziel im Kampf gegen die Corona-Pandemie ist fast geschafft: Die Impfungen in den besonders gefährdeten Altenheime sollen in den nächsten Tagen abgeschlossen sein. Aktuell sind die Bewohner von 94 Prozent der 690 sächsischen Alten- und Pflegeheime bereits geimpft. Mit dem letzten Impftermin spätestens Mitte März sollen laut Deutschem Roten Kreuz (DRK) dann die Orte, an denen das Coronavirus besonders häufig tödlich ist, so gut wie sicher sein.
Doch einiges spricht dafür, dass die letzten Meter für die Einrichtungen die härtesten gewesen sein könnten. Denn die schockierenden Sterbefälle, die in diesen Wochen auftreten, lassen sich kaum erklären. Selbst höchste Schutzmaßnahmen können dies nicht verhindern.
Zwei erschütternde Fälle in Leipziger Pflegeheimen
Leipzig erschüttern zwei Vorfälle, die erst in dieser Woche bekannt wurden: Seit Mitte Januar starben in zwei Pflegeheimen, in der Südvorstadt und in Liebertwolkwitz, jeweils 16 Bewohnerinnen und Bewohner. Zur Frage, wie sich solche Ausbrüche künftig verhindern lassen, fehlen bisher schlüssige Antworten. Stattdessen macht sich vor Ort eine gewisse Verzweiflung und Ratlosigkeit breit. So wie bei der AWO-Geschäftsführerin Heike Buchheim, die zu dem Corona-Ausbruch im Seniorenheim Liebertwolkwitz sagte: „Wir wissen nicht, wie das Virus ins Haus kam.“
Die Leipziger Pflegeheim-Todesfälle stehen für eine Phase der Pandemie, in der vieles bewältigt zu sein scheint, aber auch die Ungewissheit zunimmt. „Ich habe nicht den Eindruck, dass wir noch rigorosere Maßnahmen brauchen“, sagt Dirk Panter, SPD-Fraktionschef im sächsischen Landtag. „Ich glaube einfach, dass wir immer noch viel zu wenig wissen.“
Sachsens AWO-Chef: Manche nehmen es mit dem Testen nicht so genau
Das sächsische Sozialministerium verschärft derweil seine Maßnahmen für Pflegeheime immer weiter. Ein Besuch ist seit Dezember nicht ohne Test möglich. Seit dem 5. Februar müssen sich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dreimal wöchentlich testen lassen. „Verstöße sind nicht hinnehmbar“, erklärte das Ministerium auf LVZ-Anfrage. Fraglich ist aber, ob die harten Maßnahmen auch überall greifen. „Die Frage ist, wie lückenlos die Testpflicht durchgesetzt wird“, sagt David Eckardt, Geschäftsführer der AWO Sachsen. In einigen Einrichtungen würden Ergotherapeuten, Physiotherapeuten oder andere externe Kräfte täglich ein- und ausgehen. Und manchmal, so Eckardt, nehme es man mit dem Testen dann nicht ganz so genau.
Eckardt will damit aber keinesfalls seine Angestellten kritisiert wissen. „Manche fragen sich in dieser Phase der Pandemie, ob sie diesen Job überhaupt noch machen wollen“, sagt er. Man müsse Nachsicht haben, wenn jenen, auf denen seit Monaten viel lastet, nun auch mal Fehler unterliefen. „Die meisten leisten exzellente Arbeit, aber es gibt eben Grenzen.“
In Bad Düben nicht mal jede dritte Pflegekraft impfbereit
Mehr Kritik übt der AWO-Chef an seinen Mitarbeitern, die sich nicht impfen lassen. In einer Einrichtung in Bad Düben (Nordsachsen) war nicht einmal jede dritte Pflegekraft dazu bereit. „Hier erwarte ich, dass Verantwortung übernommen wird“, so Eckardt. Aber er räumt auch ein: „Ich kann nicht beantworten, warum es immer noch zu Ausbrüchen kommt.“ Er habe höchstens Indizien. Etwa dass in Pflegeheimen, die – wenn auch nur zum Teil – unter Quarantäne stehen, keine Impfungen durchgeführt werden. Im Vogtland sei kürzlich ein mobiles Impfteam an drei Pflegeheimen abgewiesen worden. Das örtliche Gesundheitsamt habe es so entschieden.
Noch 80 Pflegeheime von Corona-Infektionen betroffen
In Leipzig sei so etwas noch nicht vorgekommen, sagt Ariane Mohr, Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes in Leipzig. Mittlerweile seien alle Pflegeheime der Stadt durchgeimpft. Sachsenweit gibt es aber noch Schwierigkeiten. Mit Stand diese Woche sind laut Sozialministerium 80 Alten- und Pflegeheime sowie Hospize von Corona-Infektionen betroffen. Etwa genauso viele warten noch auf ihre Impfung.
Das Ministerium verweist darauf, dass eine Quarantäne auch weiterhin nicht gebrochen werden darf. Allerdings seien die Einrichtungen angewiesen, das Impfen in abgetrennten Bereichen zu ermöglichen. An mangelndem Personal liege die Impf-Versorgung der Heime jedenfalls nicht: Sachsen habe die Zahl seiner mobilen Teams noch einmal auf 31 verdoppelt.
Von Josa Mania-Schlegel