„Überschuldung kann jeden treffen“ – AWO-Berater helfen Schuldnern in Not

Quelle: 11.01.2025, LVZ Delitzsch-Eilenburg von Madeleine Eisenbarth

„Überschuldung kann jeden treffen“ – AWO-Berater helfen Schuldnern in Not

Im Landkreis Nordsachsen sind 14 600 Menschen überschuldet. Was tun, wenn die Einnahmen nicht mehr alle Kosten decken können und der Schuldenberg wächst?
Von Madeleine Eisenbarth
Schuldnerberater Tilo Winkler erklärt, dass Überschuldung jeden treffen kann
Landkreis Nordsachsen.
Kredite in Höhe von 30 000 Euro. Darunter hohe Klarna-Schulden. Forderungen von rund dreißig Gläubigern und eine abgebrochene Ausbildung wegen Depressionen: Der Fall einer jungen Frau, knapp 30 Jahre alt, ist Tilo Winkler im Gedächtnis geblieben. Er ist Schuldnerberater beim nordsächsischen Kreisverband der AWO. Winkler berät in Eilenburg und Bad Düben Menschen, die in die Überschuldung gerutscht sind.

Die junge Frau, von der Winkler erzählt, ist eine von rund 15 Personen, die pro Woche die Büros der Schuldnerberatung aufsuchen. „Die Lebensläufe, die ich sehe, sind komplett unterschiedlich“, berichtet Winkler. Überschuldung könne jedem passieren.

Jeder elfte Nordsachse ist überschuldet

Allein Landkreis Nordsachsen sind aktuell 14.600 Menschen betroffen. In Bad Düben ist jeder 13. überschuldet, in Eilenburg jeder Elfte. Das geht aus Statistiken des Schuldneratlas von Creditreform hervor. Die Zahlen sinken seit zwar seit Jahren kontinuierlich, doch die Schuldnerberatung bleibt stark nachgefragt. Im vergangenen Jahr hat Winkler knapp 80 neue Akten angelegt und 600 Gespräche mit bestehenden Klienten geführt. Sein Fazit: „Das typische Bild eines Schuldners gibt es nicht“.

Trotzdem gebe es ein immer wiederkehrend Muster, das sich durch die Akten der Schuldner ziehe: Der plötzliche Verlust der Einnahmen, egal ob wegen Krankheit oder Kündigung, sei meistens der Auslöser für Überschuldung. „Schulden zu haben, ist erstmal recht normal“, erklärt Winkler. „Das Haus, das nicht fertig abbezahlt ist oder die Küche, die über Raten finanziert wurde“; Schulden hätten laut Winkler rund die Hälfte der Bevölkerung.

Schuldner finden neue Perspektiven in Beratungen

Doch wenn der Job plötzlich wegbricht und Rücklagen fehlen, können die laufenden Ausgaben schnell die Einnahmen übersteigen. „Dann wird es problematisch“, weiß Winkler. Er rät in solchen Fällen dazu, Miete und Nebenkosten zu priorisieren. Werden diese nicht bezahlt, drohe die Kündigung. Eine seiner ersten Fragen in der Schuldnerberatung sei daher immer, ob das laufende Leben trotz der Überschuldung gesichert ist. „Kann der Schuldner noch auf sein Konto zugreifen? Ist die Miete gedeckt? Erst wenn diese Sachen gesichert sind, versuchen wir die anderen Schulden zu regulieren“.

Gründe für Überschuldung gibt es viele

Wer sich an Tilo Winkler oder seine Kollegen wendet, der erhält kostenlose Hilfe in Form von Beratung. „Klassische soziale Arbeit könnte man dazu sagen“, so Winkler. Sein Ziel sei es, die Schuldner zu befähigen, wieder selbst mit den Kosten umgehen zu können. Er zeigt Perspektiven auf, erarbeitet gemeinsam mit seinen Klienten Schuldenbereinigungspläne und prüft Forderungen von Gläubigern. Im manchen Fällen, wie in dem der jungen Frau mit den hohen Klarna-Schulden, rät er zu einem Insolvenzverfahren. In der Regel seien die Betroffenen dann nach drei Jahren schuldenfrei.

Ein Insolvenzverfahren sei jedoch nur geeignet, wenn zu erwarten ist, dass keine neuen Schulden anfallen. Auch psychische Erkrankungen stünden laut Winkler dieser Lösung oft im Weg. Insbesondere Depressionen seien unter Schuldnern weit verbreitet, wie Winkler berichtet. Auch Sucht spiele manchmal eine Rolle. Meistens sei bei Schuldnern im Leben jedoch „plötzlich was dazwischen gekommen“.

Die meisten Menschen, die bei Winkler Hilfe suchen, sind zwischen 30 und 60 Jahre alt, die Geschlechterverteilung ist ausgeglichen, viele sind ledig oder geschieden. Eine große Gemeinsamkeit, die die meisten Schuldner haben, sei laut Winkler ein langfristiges niedriges Einkommen. Weggebrochenes Einkommen könne dadurch schnell zur Überschuldung führen. Auch steigende Lebensmittel- oder Energiekosten würden diesen Effekt verstärken.

Wie lassen sich Schulden vermeiden?

Um Überschuldung zu vermeiden, rät Winkler dazu, „möglichst nur das kaufen, was auch direkt bezahlt werden kann“. Allerdings bleibe manchmal, wie beispielsweise beim Hauskauf, keine andere Möglichkeit als einen Kredit aufzunehmen. Rücklagen in Höhe von drei bis sechs Monatsgehältern könnten in solchen Fällen eine Absicherung bilden. Darüber hinaus mahnt der Berater zur Einnahmen-Ausgaben-Disziplin. Wer dennoch den Überblick über seine Ausgaben verliert und Schulden anhäuft, findet im Landkreis Nordsachsen Hilfe bei den Beratungsstellen von AWO und Caritas.

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