Weniger Nordsachsen überschuldet – doch Ratenkredite sind ein Problem

Quelle: LVZ Delitzsch-Eilenburg, 11.01.2023, Nico Fliegner

Weniger Nordsachsen überschuldet – doch Ratenkredite sind ein Problem

Im Schuldner-Atlas für das Jahr 2022 rangiert der Landkreis auf Platz 298 von 401. Der Trend ist zwar rückläufig, Experten warnen aber vor trügerischen Zahlen – die Folgen der Inflation kämen
erst noch.

Von Nico Fliegner

Nordsachsen. Immer weniger Menschen im Landkreis Nordsachsen sind überschuldet. Das geht aus dem Schuldner-Atlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform für das Jahr 2022 hervor. Doch die Zahlen sind die eine Sache, die Einschätzung von Schuldnerberaterinnen und -beratern vor Ort die andere. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

■ Wie hoch ist die Verbraucherüberschuldung in Nordsachsen?

Nach Angaben von Creditreform liegt die Überschuldungsquote bei Verbraucherinnen und Verbrauchern im Landkreis bei 9,51 Prozent, im Jahr davor lag sie bei 10,02 Prozent. Seit 2018 ist sie kontinuierlich gesunken.

■ Wo liegt Nordsachsen im Vergleich zu anderen Kreisen?

Der Landkreis rangiert auf Platz 298 von insgesamt 401 Kreisen und kreisfreien Städten in Deutschland, für die Creditreform Zahlen erhoben hat. Bundesweit beträgt die Überschuldungsquote im Schnitt 8,48 Prozent – und ist ebenfalls gesunken.

■ Wie schätzt Creditreform die Situation ein?

Die neuesten Zahlen belegen, dass „ein neuer, historischer Tiefststand bei den Überschuldungsfällen in Deutschland erreicht“ wurde. Die Zahl überschuldeter Privatpersonen habe sich bundesweit gegenüber dem Vorjahr um rund 274 000 Fälle (minus 4,4 Prozent) auf 5,88 Millionen verringert. Nur noch 2,94 Millionen Haushalte gelten damit als überschuldet und nachhaltig zahlungsgestört.

Creditreform spricht aber von einer verdeckten Krise: „Die guten Zahlen sind leider trügerisch“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. Seit Corona reduzierten sich zwar die Überschuldungsfälle in drastischem Tempo. Durch die anhaltende Krisenlage würden die meisten Menschen weniger Geld ausgeben und die staatlichen Hilfsprogramme schützten viele Verbraucher. „Der Rückgang überschuldeter Personen verlangsamt sich jedoch bereits. Die wahren Belastungen werden die anhaltend hohe Inflation und insbesondere die ansteigenden
Energiekosten sein, die noch längst nicht vollständig beim Verbraucher angekommen sind“, so Hantzsch weiter. Diese Folgen seien bei der Überschuldung nicht akut spürbar, sondern würden zeitverzögert und mit Langzeitwirkung auftreten. „Wir fürchten eine Trendwende. Die in der Corona-Krise angehäuften Sparguthaben sind vielfach aufgebraucht. Das trifft jetzt vor allem Geringverdiener, die auch in normalen Zeiten nicht viel auf die Seite legen
können“, erläutert Hantzsch.

■ Was sagen Schuldnerberater im Landkreis?

Bettina Noack ist seit 26 Jahren als Schuldnerberaterin tätig. Sie berät bei der Arbeiterwohlfahrt Nordsachsen in Bad Düben und in Eilenburg in finanzielle Schwierigkeiten geratene Bürgerinnen und Bürger. Die Zahl der Hilfesuchenden sei 2022 mit bis zu 80 Klienten nahezu genauso hoch gewesen wie im Vorjahr. Zwei Drittel ihrer Klienten, die Ende 30 und Anfang 40 sind, waren Männer. „Viele, die zu uns kommen, haben Ratenkredite laufen, die sie nicht
mehr bedienen können“, sagt Noack. „Oftmals sind Trennungen oder Scheidungen vom Partner ein Grund für die Verschuldung.“ Der Arbeitsmarkt, also fehlende Arbeitsplätze und damit kein Einkommen, ist es dagegen nicht mehr.

Auch bei den Klienten von Julia Höse, die Schuldner unter dem Dach der Caritas in Torgau berät, sind laufende Kredite, die nicht mehr bezahlt werden können, der Schwerpunkt ihrer Klienten. „Viele haben Konsumschulden und wissen nicht mehr, wie sie die Raten bezahlen sollen“, sagt sie. Auslöser für die Überschuldung sind auch hier oftmals Trennungen oder der Tod des Lebenspartners; dann fehlt ein Einkommen. Das Alter der Hilfesuchenden liegt bei ihren Klienten zwischen 30 und 50 Jahren.

■ Wenden sich Menschen an die Schuldnerberatungen, weil sie aktuell Rechnungen für Strom und Gas nicht mehr zahlen können?

Nein, sagt Bettina Noack. Solche Fälle sind ihr nicht bekannt. „Die Leute stemmen das noch aus eigener Kraft oder sind eben sehr sparsam.“

■ Was tun, wenn man finanzielle Probleme hat?

■ Betroffene sollten sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Denn Schuldnerberater zeigen einen Weg aus der Krise. Sie helfen dabei, eine Lösung zur Regulierung der Schulden zu erarbeiten und die Finanzen wieder in den Griff zu bekommen. Seriöse Beratungsstellen vermitteln auch keine Kredite oder stellen sonstige Gelder zur Verfügung. Sie nehmen Kontakt zu Gläubigern auf und verhandeln. Und sie beraten zum richtigen Umgang mit Geld.

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