"Wir wollen helfen, aber niemandem etwas wegnehmen"

Lange gab es in Bad Düben keine Lebensmittel-Ausgabestelle für Bedürftige. Die Brotkorb-Eröffnung wurde von einer großen Hilfs- und Spendenbereitschaft begleitet. Doch der Verein braucht selbst Hilfe.

Quelle: 12. Juli 2023, LVZ Lokales

Bad Düben. Es ist kurz nach 13 Uhr, und an der Tür des ehemaligen Einkaufsmarktes in der Brunnerstraße, in dem seit rund drei Monaten der Brotkorb-Verein Bad Düben sein Domizil hat, stehen die Ersten. Die Frauen und Männer schwatzen und scherzen miteinander, rauchen, andere schauen einfach nur und warten.
Eine gute Stunde bis zur Öffnung ist es noch. Drinnen herrscht rege Betriebsamkeit. Vize-Marktleiterin Bärbel Heyer und ihre Helferinnen packen Lebensmittel in Kisten. Brot, Ananas, Gurken, Schokolade, Käse, Wurst. Für einen Kunden, der nur vegane Produkte bekommt, gibt es einen Extra-Behälter. An diesem Tag durchzieht Popcorn- Duft den Raum. Eine kleine Überraschung für die Kinder zum Start in die Ferien.


Händler und Märkte helfendem Verein Brotkorb
Mittwoch für Mittwoch geht das so, seit die erste Lebensmittel- Ausgabestelle der Kurstadt Anfang April gestartet ist. Die Zahl der Bedürftigen ist rasant gestiegen. 222 Kinder, Frauen und Männer in 105 Bedarfsgemeinschaften waren es zuletzt, „jede Woche gibt es neue Anmeldungen“, sagt Susann Pfalz, die Vereinsvorsitzende. Entsprechend groß ist der Bedarf an Lebensmittel-Spenden. Die Initiatoren machen keinen Hehl daraus, dass es immer schwieriger wird, ausreichend Waren zu bekommen. „Wenn wir nicht von den Tafeln aus Torgau und Wittenberg Lebensmittel bekommen würden, sähe es schlecht aus“, räumt die Betreiberin einer Versicherungsagentur ein.


Zu der allgemein schwierigen Situation von Hilfe-Einrichtungen wie Tafel oder Brotkorb kommt hinzu, dass der Bad Dübener Verein allein klarkommen muss, vom großen Topf Landestafel nichts abbekommt. Die Bemühungen, sich einem bestehenden Tafel-Verein anzuschließen, waren – wie berichtet – nach wochenlangen Gesprächen gescheitert.
Gleiches Anliegen, anderer Name – egal, ob Brotkorb oder Tafel, das Problem bleibt. Wie in ganz Deutschland gehen auch in der Kurstadt die Lebensmittelspenden zurück, obwohl immer mehr Personen die Unterstützung benötigen. „Es gibt örtliche Märkte, die uns unterstützen; etwa Rewe, Vorteilkauf, die Bäcker Paetsch und Schiebel. Andere haben bereits Kooperationsvereinbarungen, das ist gut so. Wir wollen helfen, aber niemandem etwas wegnehmen.“


Betroffene haben oft Scham, sich Lebensmittel abzuholen
Auch deshalb schauen die Helferinnen immer genau hin, wer kommt. „Zwei Frauen mussten wir den Ausweis wieder entziehen; darunter eine Frau, die innerhalb einer Woche auch noch bei zwei Tafeln in der Region Lebensmittel abgeholt hat. Und zwar für sich allein.“ Was Marktleiterin Gitte Gündler, Bärbel Heyer & Co. vor allem ausmacht, ist neben ihrem Engagement das offene Ohr, das sie den kleinen und großen Brotkorb-Kunden schenken: „Unsere Nettigkeit hat sich rumgesprochen“, erzählt Bärbel Heyer und schmunzelt. Die Mittsechzigerin hat bis 2020 als Seniorenbetreuerin bei der Arbeiterwohlfahrt gearbeitet, ist von Beginn an dabei. Mit dem Vorurteil, die Betroffenen könnten ja arbeiten gehen, kennen
sich die Brotkorb-Damen gut aus. Bewerten wollen sie es nicht. Sie wissen gut genug, dass es oft Schicksalsschläge sind, die Menschen zu ihnen führen. Die plötzliche Arbeitslosigkeit, eine Krankheit, ein Pflegefall, eine Scheidung. Nicht allen fällt es leicht, die Hilfe anzunehmen. Susann Pfalz erzählt von der jungen Mutter, der es offensichtlich unangenehm ist, hierherzukommen. „Wir versuchen schon, darauf einzugehen. Ich habe ihr angeboten, dass sie gern später kommen kann, wenn der große Trubel vorbei ist. Ob sie es annimmt, weiß ich nicht.“


Es gäbe auch die, die einen Job haben und trotzdem Hilfe brauchen. Zwischen Ausweis-Kontrolle und Lebensmittel-Herausgabe nehmen sich die Vereinsmitgliederinnen und -mitglieder Zeit für ein Gespräch. „Viele nehmen das dankbar an, sind froh, wenn sie von ihrem Alltag und den Problemen erzählen können und ihnen jemand zuhört. Sie fühlen sich an- und aufgenommen.“ Was kaum einer ahnt – der organisatorische Aufwand, Woche für Woche einen Ausgabetag auf die Beine zu stellen, ist enorm. „Das geht schon samstags los, wenn die Bäcker abgefahren, Brot und Brötchen eingefroren werden müssen. Da kommen locker mal 60, 70 Brote zusammen“, erzählt Bärbel Heyer. Jeden Mittwoch um 6.30 Uhr startet die zweistündige Markt-Tour, die bis nach Wittenberg führt. „Die erste Helfer-Schicht entlädt den Transporter, sortiert für die zweite Schicht vor, die um 9 Uhr beginnt.“ Das Mindesthaltbarkeitsdatum der Waren wird kontrolliert, alles muss erfasst, in Kühlregale gelagert, Obst und Gemüse müssen gegebenenfalls geputzt werden. Weitere Freiwillige packen die Kisten, bevor sich um 4 Uhr die Türen öffnen.

Es sind vor allem Frauen, die hier ehrenamtlich tätig sind. Bürgermeisterin Astrid Münster (FWG) war schon da und hat mit angepackt, auch Linken-Stadtrat Andreas Flad. „Wir bräuchten tatsächlich noch männliche Unterstützung, die Arbeit ist körperlich nicht leicht. Hier und da gibt es was zusammenzubauen oder zu reparieren. Ganz dringend suchen wir vor allem einen Fahrer, der mit dem Transporter die gespendeten Lebensmittel bei den Märkten abholen, beim Tragen mit helfen kann“, sagt Susann Pfalz. Bald soll es auch Tag der offenen Tür geben Was der Brotkorb zudem immer brauchen kann, sind Spenden. „Die Bad Dübener unterstützen uns schon sehr“, betont Susann Pfalz. Es gibt Großspender wie Profiroll, auch Unternehmen wie Tilo Kühne oder das Kieswerk Löbnitz, die helfen. Der Verein nutzt zudem jede Möglichkeit, um bei Veranstaltungen wie dem Familientag bei Hermies beziehungsweise auf Trödel- und Weihnachtsmärkten die Spendendose aufzustellen. Und bald soll es auch einen Tag der offenen Tür geben.


Wer den Brotkorb-Verein
in Bad Düben unterstützen
möchte, kann sich via E-Mail brotkorb-baddueben@web.de melden.
Spenden gehen auf das Konto DE27 8605 5592 3118 30.

 

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